Fischfutter auf der Basis von Algen: Pflanzenbasierte Alternativen zu Fischmehl
Von Sybille Nitsche (Technische Universität Berlin), Quelle: Tagesspiegel
Forschende an der TU nutzen pflanzliche Reststoffe, Bakterien und Algen, um einen Ersatz für Fischmehl und -öl zu gewinnen – für nachhaltige Aquakulturen.
Fischfarmen waren gut gedacht: Sie sollten die Menschen weiterhin mit dem gesunden Nahrungsmittel Fisch versorgen und so die Überfischung der Weltmeere stoppen. Aber sie waren dann doch schlecht gemacht: Millionen Tonnen Fische aus Wildbeständen wurden gefangen und zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet, um es dem Fischfutter in den Aquakulturen beizumischen.
Jährlich wird jeder fünfte gefangene Wildfisch zu Fischöl oder Fischmehl verarbeitet. Fische sind gesund, weil sie reich sind an den für Menschen lebenswichtigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren wie DHA. Indem Fischmehl oder -öl in das Fischfutter gemengt wird, wird den Fischen in den Aquakulturen das DHA zugeführt.
Am Fachgebiet Bioverfahrenstechnik, TU Berlin machte sich ein Team um Stefan Junne daran, zu erforschen, wie Fischmehl und -öl im Fischfutter ersetzt werden könnten, um nicht weiterhin Zuchtfische in den Fischfarmen mit Wildfischen zu mästen. Die Idee: heterotrophe Mikroalgen. Diese sind in der Lage, Docosahexaensäure, kurz DHA, zu synthetisieren.
„Doch damit die Algen das DHA produzieren, müssen sie mit einem Substrat gefüttert werden. Das kann Zucker sein, der zum Beispiel aus Getreide wie Mais stammt. In der 2019 im US-Bundesstaat Nebraska in Betrieb gegangenen Anlage zur biotechnologischen Herstellung von DHA wird Getreide genutzt“, sagt Junne.
„Da wir hier am Fachgebiet jedoch die Philosophie verfolgen, Nahrungsmittel möglichst nicht in biotechnologischen Prozessen zu verwenden, experimentieren wir unter anderem mit Stallstroh. Denkbar sind aber auch Essensreste und andere biologische Reststoffe wie Laub oder Grünschnitt“, erklärt Junne.
Aber mit dem reinen Stallstroh können die heterotrophen Algen noch nichts anfangen. Es muss zuvor zersetzt werden. Das geschieht durch die mikrobielle Hydrolyse. Wie diese abläuft, wird auf dem Gelände der „ufaFabrik“ in Berlin zu beobachten sein.
Hunderte von Bakterien
In einem 200-Liter-Bioreaktor aus Plexiglas, einem sogenannten Pfropfenstromreaktor, werden Hunderte von verschiedenen Bakterien arbeiten – die wichtigsten sind Bazillen und Clostridien. Und ähnlich wie Rumpelstilzchen verwandeln sie das Stroh – sie zersetzen es in kurzkettige Carboxylsäuren wie zum Beispiel Essigsäure. Diese wird abgezogen und in den Laboren des TU-Fachgebiets an die heterotrophen Algen „verfüttert“, die es zu DHA verstoffwechseln und in ihren Zellen anreichern.
„Da wir mit Reststoffen arbeiten, müssen wir die mikrobielle Hydrolyse, also die Zersetzung des Strohs durch Bakterien, der eigentlichen Synthese des DHA in den Algen vorschalten. Wir koppeln also zwei Bioprozesse“, so Junne.
Aus dem Labor in die Praxis?
Bei der mikrobiellen Hydrolyse entsteht aber nicht nur die flüssige Essigsäure, sondern auch eine feste Phase, ein Biodünger, den die „ufaFabrik“ wiederum nutzt. Die Zusammenarbeit zwischen der TU Berlin und der „ufaFabrik“ wird im Rahmen des TU-internen Forschungsprogramms „Pro Nachhaltigkeit“ gefördert.
„In unserem Projekt ‚FENA – Fischmehl und -ölersatz für eine nachhaltige Aquakultur‘ haben wir knapp vier Tonnen Fischfutterersatz auf der Basis von Algen hergestellt. Der Ersatz hatte eine Konzentration von circa 20 Prozent DHA. Die Zusammensetzung der Omega-3-Fettsäuren ähnelte damit der von kommerziellen Fischöl- und Fischmehl-Mischungen. Das ist ziemlich gut. Die Fütterungsversuche verliefen erfolgreich. Unser Ansatz, mit pflanzlichen Reststoffen und Algen DHA zu produzieren, funktioniert. Ob die Wirtschaft Interesse daran hat, diesen Bioprozess aus dem Labormaßstab in die Praxis zu überführen, wird sich zeigen“, so Stefan Junne.
Das Fachgebiet Bioverfahrenstechnik ist Mitbegründer des Netwzerks Bio-PAT.